Wie der Schlesier spricht

Von Wilhelm Menzel

Jedes Kind lernt es heute in der Schule - oder sollte es lernen - dass der größte deutsche Dichter unserer Zeit Gerhart Hauptmann heißt. Er stammt aus Schlesien, und viele seiner Werke spielen in seiner Heimat zum Beispiel "Die Weber", "Fuhrmann Henschel", "Rose", "Schluck und Sau", "Die versunkene Glocke". In diesen Bühnenstücken treten schlesische Menschen auf: Weber, Fuhrleute, Bauern, Waldarbeiter, Förster, Schmiede und andere Handwerker, Gastwirte, Armenhausleute. Sie sprechen alle echt schlesisch, und zwar die Mundart des Waldenburger Berglandes, aus dem Gerhart Hauptmann stammt (Bad Salzbrunn). Wie bedeutend seine dichterische Leistung ist, ersieht man am besten daraus, dass seine Werke in fast alle Kultursprachen der Welt übertragen sind. Damit Ist also unser Schlesisch in die Weltliteratur eingeführt worden. Das sollten wir Schlesier - alt und jung - bedenken, und das sollte uns mit Stolz erfüllen, vor allem aber mit Lust und Liebe zu unserer Heimatsprache; dies um so mehr, weil wir außer der Mundartdichtung Gerhart Hauptmanns noch viele andere poetische Schöpfungen dieser Art haben: Volksschauspiele, Volkslieder, Gedichte, Geschichten, Märchen, Sagen, Legenden, Sprichwörter, Rätsel u. ä. - alles in unserer Mundart.
Welcher Schlesier kennt nicht das berühmte Gedicht "Suste nicht, och heem" von Carl von Hoitei! Oder die "poetische Heimatkunde" in der Geschichte von Paul Keller "Der Bergkrach"! Oder den "Schlesischen Winter", "Rübezahl", "Doas Karasell", "Maxias Weihnachtsbrief" von Ernst Schenke? Oder welcher Stamm hat so ein Buch wie "Hease Langbeen" (von Ernst Schenke) aufzuweisen - das Leben des Hasen in mundartlichen Versen?
Es gibt keinen anderen deutschen Stamm, der solch eine Fülle an Dialektdichtung besitzt, wie die Schlesier sie haben.
Das hat aber heute in unserer Lage als Ostvertriebene seine besondere Bedeutung! Es geht bei der Sprache und Dichtung der Heimat nicht um eine vergnügliche Unterhaltung, um einen gemütlichen Zeitvertreib oder eine schöne Verzierung unseres Daseins, die vielleicht auch ohne Schaden wegbleiben könnte - nein, hier geht es um ein wesentliches Stück Heimat, ein Stück, von dem wir leben wie vom liehen Brot. In der Dichtung werden Land und Leute, Sitte und Brauch der Heimat lehendig, von hier aus sind wir verpflichtet

"Das Alte festzuhalten
Und Neues zu gestalten
Und nicht vom Recht zu weichen!"

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